Ein Großteil meiner Arbeit besteht darin, mit Führungskräften und anderen Entscheidungsträgern in unterschiedlichsten Unternehmen zu sprechen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich der Bedeutung einer großartigen Kundenerfahrung (bzw. CX) bewusst sind. Zugleich verlasse ich aber viele dieser Meetings mit dem Eindruck, dass die Forschung und das Design rund um die Nutzererfahrung (bzw. UX) mit einem Imageproblem im oberen Management zu kämpfen haben.
Natürlich gibt es Ausnahmen, aber in den meisten Unternehmen werden UX-Mitarbeiter*innen von den Führungskräften allenfalls als notwendig, jedoch nicht als geschäftskritisch angesehen. Sie werden als etwas exzentrische Künstler*innen und Forscher*innen betrachtet, die nichts mit den „tatsächlichen geschäftlichen Entscheidungen” zu tun haben.
Der stellvertretende Leiter der Marketingabteilung eines großen Modeunternehmens sagte einmal zu mir:
UX-Designer*innen sind kreative Menschen – und letztlich nur eine Weiterentwicklung des Kreativsektors. Sprich, es handelt sich um Nerds, die nicht mit der Verbraucherperspektive vertraut sind. Nicht selten sind sie introvertiert und können ihre Arbeit nicht verkaufen. Es gibt einige stilistische Hürden und die Leute sind sich ihrer Rolle und ihres Beitrags nicht bewusst.
Wenn du in einem Unternehmen arbeitest, in dem die UX-Mitarbeiter*innen nicht wirklich anerkannt sind, schränkt dies deine Einflussmöglichkeiten ein. Wenn es um die Notwendigkeit von Kosteneinsparungen geht, könnte es schnell dein Team treffen. Ergo muss diese vorhandene Wahrnehmung also geändert werden. Aber wie geht das?
Du möchtest, dass andere deine Arbeit zu schätzen wissen? Dann solltest du sie mit Themen verknüpfen können, die ihnen wirklich am Herzen liegen.
Das mag sich kompliziert anhören, ist in der Regel jedoch relativ einfach. Finde zunächst einmal heraus, welche Themen in deinem Unternehmen an erster Stelle stehen und was deinen Führungskräften wichtig ist. Wie sehen die vorrangigen Ziele in diesem Jahr aus? Welche Hindernisse stehen dem Erfolg im Weg? Sieh dir einmal an, wie deine Forschungs- und Recherchearbeiten mit diesen Dingen und mit Blick auf die praktische Entscheidungsfindung im Zusammenhang stehen. Hast du einen direkten Einfluss auf die Initiativen, die der Geschäftsführung am Herzen liegen? Und wenn nicht, wie könntest du helfen?
Die nächsten Schritte sehen dann wie folgt aus:
Wenn du über deine Ergebnisse berichtest, solltest du einen Zusammenhang zu den wichtigsten Geschäftsentscheidungen herstellen. Berichte nicht nur über die Daten, sondern auch über geschäftliche Auswirkungen und Möglichkeiten. Deine Präsentationen und Berichte sollten Erkenntnisse, Ergebnisse und Auswirkungen enthalten:
Dieser dritte Teil ist für die meisten Menschen, die in irgendeiner Form mit Forschung und Recherche zu tun haben, relativ unangenehm. Nicht selten denken sie, dass ihre Rolle darin besteht, Daten zu sammeln und über die Erkenntnisse zu sprechen – jedoch nicht in der konkreten Umsetzung in Maßnahmen für das Unternehmen. Außerdem gehen sie oftmals davon aus, dass die Folgerungen offensichtlich sind und daher nicht weiter erwähnt werden müssen.
Nach meiner Erfahrung stellen die meisten Menschen diese offensichtlich intuitiven Verbindungen jedoch nicht her. Dafür sind sie viel zu beschäftigt und haben längst nicht so viel Zeit wie du damit verbracht, sich in die Daten einzulesen. Du willst als wichtiger Partner angesehen werden? Dann musst du dich einsetzen und ihnen dabei helfen, die Verbindungen zu verstehen.
Um nicht allein den Wert deiner Arbeit, sondern auch die Wahrnehmung dieses Wertes zu steigern, solltest du sie so früh wie möglich mit den strategischen Fragen des Unternehmens verknüpfen. Achte darauf, so früh wie möglich über neue Ideen und Initiativen informiert zu werden. So kannst du deren Richtung beeinflussen. Dabei kann es Sinn machen, mit dem Teil des Unternehmens zusammenzuarbeiten, der für die strategische Planung zuständig ist. Das kann eine Strategiegruppe, das Produktmanagement oder das Marketing-Team sein. Übermittle bereits in der Anfangsphase der strategischen Planung die dir vorliegenden Informationen. Zu diesem Zeitpunkt ist es viel einfacher, Einfluss zu nehmen. Außerdem kannst du auf diese Weise sicherstellen, dass sich das Unternehmen von Anfang an in die richtige Richtung bewegt. So vermeidest du, dass du dich später um Korrekturen bemühen musst.
Es ist zudem nützlich, Informationen über den Wettbewerb in deine Erkenntnisse einfließen zu lassen. Denke daran: Dein Unternehmen will seine Kundschaften nicht aus reiner Neugierde verstehen. Es möchte vor allem Markttrends frühzeitig erkennen, um so einen Wettbewerbsvorteil zu erhalten.
Die Konkurrenz spielt bei der Entwicklung des Marktes eine wichtige Rolle. Wenn du also diese Wettbewerbsperspektive in deine Analyse einbeziehst – z. B. indem du einige Tests mit Produkten oder Kundschaften der Konkurrenz durchgeführt hast – kannst du die Ergebnisse deiner Untersuchung aussagekräftiger machen. Wenn du deinem Unternehmen das Zusammenwirken von Kunden- und Wettbewerbstrends und die damit einhergehende Marktentwicklung verdeutlichen kannst, sicherst du dir deine Rolle als strategisch wertvolle*r Mitarbeiter*in.
UX-Tests und Kundenfeedback sind großartig, noch besser ist es jedoch, wenn du deine Erkenntnisse mit quantitativen Daten kombiniert hast, insbesondere mit Analysen und Umfragen. Dein Team erhebt keine quantitativen Daten? Dann suche die Leute, die sich damit beschäftigen, und versuche mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dabei kannst du auch auf die von ihnen erstellten Berichte zurückgreifen und zeigen, wie sie mit deinen Ergebnissen übereinstimmen (oder auch nicht). Das Gleiche gilt für die quantitativen Berichte von Dritten.
Ich kombiniere gerne diese beiden Aspekte, weil der Wert von Informationen deutlicher wird, wenn quantitative und qualitative Daten gemeinsam präsentiert werden. Das ist eine Sache der rechten und linken Gehirnhälfte. Menschen lassen sich eher überzeugen, wenn Zahlen und Emotionen miteinander in Einklang gebracht werden.
Der in der Universität vermittelte Schreibstil orientiert sich an akademischen Veröffentlichungen: Einleitung, Methodik, Beweisführung und die Schlussfolgerung am Ende. Diese Struktur ist großartig, wenn man einen Fachartikel in einer Zeitschrift veröffentlichen will. Für die Kommunikation innerhalb eines Unternehmens eignet sie sich jedoch nicht. So gut wie keiner interessiert sich für deine Methodik und absolut niemand möchte sich durch fünf Seiten Text wälzen, bevor er zu den Schlussfolgerungen kommt.
Beim Schreiben für ein Unternehmen eignet sich am besten der journalistische Stil, der als umgekehrte Pyramide bekannt ist. Das bedeutet, dass sich die wichtigsten Informationen bereits im ersten Abschnitt befinden. So kannst du dir sicher sein, dass der oder die Leser*in das Wichtigste gelesen hat – auch wenn er oder sie nicht bis zum Schluss weiterliest. Anschließend kümmerst du dich um den zweitwichtigsten Punkt usw.
Der Grund für eine derartige Strukturierung ist die sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne von Menschen. Du selbst hast keine Kontrolle darüber, wann jemand die Lust am Lesen verliert. Mit jeder weiteren Zeile gehen dir Leser*innen verloren. Deshalb solltest du versuchen, mit einem Minimum an Lesestoff einen maximalen Nutzen zu erzielen.
Das Gleiche gilt für die Präsentation deiner Arbeit vor Führungskräften. Beginne nicht mit der von dir eingesetzten Methodik; dein Gegenüber interessiert sich vor allem für die Auswirkungen auf das Unternehmen. Nachdem du deine Erkenntnisse präsentiert hast, kannst du kurz auf deine Methodik eingehen und anschließend deine Belege und Nachweise auflisten. Wenn die Zuhörenden aus irgendeinem Grund nach zwei Folien abgeschaltet haben, sind ihnen die wichtigsten Schlussfolgerungen zu Ohren gekommen – und du hast dich als jemand positioniert, der weiß, was wichtig für das Unternehmen ist.
Es ist unglaublich praktisch, bei der Präsentation von Forschungsergebnissen lediglich auf die schriftlichen Zitate der Test-Teilnehmenden zurückzugreifen. Die Bearbeitung von Videos nimmt eine Menge Zeit in Anspruch, und natürlich willst du schnell vorankommen. Als Menschen sind wir jedoch darauf programmiert, emotional auf andere Menschen zu reagieren und Videos sprechen diese instinktive Reaktion direkt an. Deshalb sollten die Erstellung und Präsentation toller Videoausschnitte zu deinen Prioritäten gehören. Bediene dich freizügig aus deinem Bildmaterial, um die Zuhörenden auf deine Themen aufmerksam zu machen. Diese Technik musst du einfach beherrschen – wenn dies nicht bereits der Fall ist. Auf diese Weise kannst du Einfluss auf die Entscheidungsfindung nehmen. Und zugleich kannst du so den von dir ausgehenden Nutzen hervorheben.
Wenn das Gespräch auf das Budget kommt, möchten die meisten Führungskräfte am liebsten handfeste Zahlen zur Investitionsrendite sehen. Das macht ihnen die Entscheidung leichter. In einigen Fällen kannst du die Investitionsrendite einer UX-Änderung nachweisen – beispielsweise wenn eine Änderung am Warenkorb-Format nachweislich zu 10 Millionen US-Dollar an neuen Einnahmen geführt hat. Wenn es dazu kommt, ist das wunderbar. Es handelt sich dabei jedoch um seltene Ereignisse.
Eine Budgetoptimierung kann in der Regel am einfachsten durch die Einsparung von Forschungskosten berechnet werden (wenn du etwa Vor-Ort Interviews durch Video-Interviews ersetzt). Auch das ist nicht schlecht, obgleich der tatsächliche Wert deiner Arbeit dadurch drastisch unterschätzt wird. Und es wird dir nicht dabei helfen, dein Team zu verteidigen, wenn das Unternehmen auf der Suche nach Kosteneinsparungen ist.
In den meisten Unternehmen ist der größte Vorteil eines UX-Teams, dass es einen kontinuierlichen Informationsfluss liefert, der das Unternehmen auf unzählige kleine Arten intelligenter und besser macht. Es ist nahezu unmöglich, den Wert eines derart intelligenten Unternehmens zu beziffern. Denn man kann die Zeit nicht zurückdrehen, um zu zeigen, was anders gewesen wäre, wenn das Unternehmen diese Erkenntnisse nicht gehabt hätte.
Also: Dokumentiere wenn möglich die Finanzzahlen, aber konzentriere dich niemals ausschließlich auf die Investitionsrendite. Mit den hier genannten Methoden kannst du deine Arbeit zu einem relevanten und integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie machen. Dein Ziel: Überzeuge die Führungskräfte davon, dass sie nicht ohne dich leben können.